Wie PropTechs und Corporates gemeinsam die Baubranche verändern
Der PropTech-Markt wird auch für Corporates immer interessanter. Als Investoren und Partner positionieren sie sich, doch finden oft nicht den passenden Ansatz. Durch die Schaffung kleiner Innovationseinheiten können Corporates die Brücke zu den PropTechs schlagen und die Digitalisierung der Branche aktiv mitgestalten.
Die Bau- und Immobilienbranche ist eigentlich per Definition innovativ: Es entsteht immer etwas Neues oder Altes wird zu etwas Neuem zusammengesetzt. Dennoch hat die bedeutendste Assetklasse einen völlig gegenteiligen Ruf: Überholte Prozesse, geringe Effizienz und zu langsame Digitalisierung. Bei näherer Betrachtung hält dieses Bild der Branche jedoch nur teilweise Stand.
Es tut sich nämlich eine ganze Menge auf den Baustellen und daneben. Neue, verbesserte Geschäftsmodelle strömen auf den Markt und sorgen dafür, dass das Bauen und das Wohnen digitaler werden. Natürlich ist dies noch nicht in allen Unternehmen der Branche der Fall, doch – das zeigen die jüngsten Studien – in immer umfangreicherem Maße und in immer schnellerem Tempo.
Fortschritte in der Digitalisierung – nicht nur durch PropTechs
Die Bedeutung der Digitalisierung wird mittlerweile von nahezu allen Unternehmen der Bau- und Immobilienbranche erkannt. Eine eigene Digitalstrategie haben dagegen die meisten noch nicht. Und die Unternehmen, die eine haben, können sie in vielen Fällen nicht umsetzen – laut einer Studie von KPMG nur etwa 5 % aller Unternehmen der Wohnungswirtschaft1. Dazu fehlt es vielerorts an den geeigneten Mitarbeitern. In der jüngsten Digitalisierungsstudie von ZIA und EY Real Estate gaben 72 % aller befragten Unternehmen an, dass Personalmangel für sie das größte Hindernis bei der Digitalisierung ist2.
Start-ups tun sich naturgemäß leichter damit, digital-affine und -kompetente Mitarbeiter anzusprechen als betagtere Unternehmen, in denen das Faxgerät noch Arbeitsutensil und nicht ein Relikt aus einem längst abgeschlossenen Zeitalter ist. Für Neueinsteiger bieten sich aktuell nicht nur deshalb auf dem Markt viele Chancen. Dies gilt sowohl für Start-ups, die etablierte Unternehmen mit ihrem Geschäftsmodell angreifen wollen, als auch für jene, die sie als potenzielle Kunden für sich erkannt haben und mit digitalen Tools unterstützen möchten.
Die Frühphase der PropTechs und ConTechs ist vorbei, die Pioniere haben sich entweder am Markt etabliert oder sind mit ihren Geschäftsmodellen gescheitert. Nun beginnt die spannende Phase, in der sich eine zweite Generation an Start-ups anschickt, den Markt zu erobern. Die Platzhirsche der Branche werden in zunehmendem Maße auf diese Entwicklung aufmerksam und versuchen sich als attraktive Kooperationspartner und mögliche Investoren zu positionieren.
PropTechs und die schwierige Etablierung am Markt
Stehen wir also kurz vor der Revolution der PropTechs, die mit der Unterstützung von Corporates bald die gesamte Branche umwälzen? Ganz so einfach ist es sicher nicht. Viele Startups haben zwar ein gut durchdachtes Geschäftsmodell und im besten Fall auch ein Produkt, das den etablierten Lösungen teils deutlich überlegen ist, doch das allein garantiert noch keinen Erfolg. Im Vertrieb tun sich viele PropTechs nämlich außerordentlich schwer und können längst nicht alle Interessenten von ihrem Angebot überzeugen.
Auch innovative Start-ups müssen die Sprache ihrer Kunden sprechen und wenn das Faxgerät dort noch das Mittel der Wahl ist, bekommt man das oft nicht mit einem knackigen Werbespruch wegdiskutiert. Das bedeutet nicht, dass Start-ups ihre Lösungen an eingestaubte Prozesse der Branche anpassen müssen, ganz im Gegenteil! Sie müssen jedoch verstehen, wie ihre potenziellen Kunden arbeiten und wie sie mit ihrem Angebot tatsächlich helfen können. Und auch der Aufbau von Vertrauen funktioniert besser, wenn beim Gegenüber der Eindruck entsteht, dass man auf Augenhöhe miteinander spricht.
Ein weiteres Problem, das vielen PropTechs zu schaffen macht, ist der schwierige Zugang zu Daten und damit auch fehlende Auswertungsmöglichkeiten3. Datenbasierten Geschäftsmodellen kommt in digitalisierten Zeiten eine besonders hohe Bedeutung zu, doch wenn ihnen der Input fehlt, kommt am Ende kein brauchbarer Output heraus.
Bei beiden genannten Problemen können Corporates helfen. Sie genießen in der Regel ein durch jahrzehntelange Zusammenarbeit gewachsenes Vertrauen am Markt, das den Zugang zum Neukunden wesentlich erleichtern kann. Das kommt insbesondere dann zum Tragen, wenn das Angebot des PropTechs das Angebot des Corporates ergänzt und man Synergieeffekte nutzen kann. Zudem verfügen Corporates durch Millionen von Transaktionen oft über große Datenschätze, die viel zu oft in irgendwelchen Serverräumen versauern. Für ein PropTech mit dem nötigen Knowhow können diese Daten eine äußerst wertvolle Ressource darstellen.
Die Innovationseinheit als Beiboot des Corporate-Tankers
Doch warum sind PropTechs als Partner für Corporates überhaupt interessant? Große Unternehmen tun sich bekanntermaßen schwer damit, selbst innovative Geschäftsmodelle außerhalb ihres Kerngeschäfts zu entwickeln. Trotz aller Marktmacht und überlegener Ressourcen lässt sich das Innovator’s Dilemma nicht so einfach überwinden4. In zahlreichen Branchen kam es daher in den letzten zwei Jahrzehnten zu tiefgreifenden Veränderungen, wobei ganze Konzerne von neuen Anbietern aus dem Markt verdrängt wurden.
Um diesem Schicksal zu entgehen, versuchen die meisten Corporates der Bau- und Immobilienbranche aktiv auf Start-ups zuzugehen und selbst die zukünftige Marktentwicklung mitzubestimmen. Ihre Finanzpower und ihre Zugänge zum Markt sind dabei wie oben beschrieben ihre großen Stärken. Da sie aber gleichzeitig wesentlich langsamere Prozesse haben und mit der Agilität eines Start-ups nicht Schritt halten können, scheitert eine direkte Zusammenarbeit über ein reines Kapitalinvestment hinaus in vielen Fällen leider trotzdem.
Eine mögliche Lösung liegt in der Schaffung kleinerer Innovationseinheiten, die als agile „Beiboote“ des großen „Corporate-Tankers“ agieren und zahlreiche Vorteile auf sich vereinen. Sie agieren losgelöst vom Kerngeschäft und können daher Startups auf Augenhöhe begegnen und Synergien schneller realisieren. Gleichzeitig bringen sie das Ökosystem eines Corporates mit und können somit entscheidend dabei helfen, eine neue Geschäftsidee einem größeren Markt bekannt zu machen.
Auch eigene Gründerteams kann die Innovationseinheit auf diese Weise unterstützen und mit Gründungskapital versorgen. Vom Inkubator-Modell bis hin zum Company Builder sind hier verschiedene Ansätze möglich und zielführend. Kooperationen mit institutionellen Investoren wie VCs können darüber hinaus sinnvoll sein, um die PropTechs des Portfolios mit Wachstumskapital zu versorgen.
Wenn Corporates den Mut haben, ihre Innovationseinheiten nicht nur mit Investitionskapital, sondern auch mit einem hohen Maß an Unabhängigkeit und unternehmerischer Freiheit zu versorgen, kommen deren Vorteile voll zum Tragen. Sie können dann die Vorteile der digitalen Transformation für sich nutzen, um effizienter, kundenorientierter und nachhaltiger zu werden. Davon profitieren am Ende nicht nur die verbundenen PropTechs, sondern die gesamte Branche.
Über den Autor
Tobias Singer ist Projektmanager für Geschäftsmodellentwicklung bei der PACE Group. Zuvor war er elf Jahre in den Bereichen Online Marketing und E-Commerce tätig und hat Marketing-Teams für Start-Ups und Scale-Ups aufgebaut und geleitet.
Über PACE Group
Die PACE Group entwickelt Geschäftsmodelle in den Bereichen PropTech und ConTech. Hierzu zählt auch die Kooperation mit und das Investment in Start-ups.
Fußnoten
1 KPMG: Digitalisierung der Wohnungswirtschaft (2020)
2 ZIA und EY Real Estate: Fünfte Digitalisierungsstudie (2020)
3 FH Aschaffenburg, blackprint Booster und brickalize!: PropTech Germany 2020-Studie (2020)
4 Clayton M. Christensen: The Innovator’s Dilemma (2011)
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