Zurück in die Zukunft: Warum wir von den Landmarks von gestern viel für das Bauen von morgen lernen können

Geschrieben von
Dr. Susanne
Hügel
Veröffentlicht am
Sep 3, 2022

Standardisierte Bauteile, die seriell und „just-in-time“ auf der Baustelle verbaut werden, der Einsatz regionaler Materialien, ein kollaborativ-iterativer Projektmanagement-Ansatz zwischen allen Projektbeteiligten, die dadurch im Sinne des Projekts und nicht ihrer Einzelinteressen agieren, eine Fertigstellung deutlich vor dem angestrebten Zeitplan und auch noch unter Budget. Was je nach Lesart entweder nach dem Bauen der Zukunft oder aber nach einer schönen Illusion klingt, wurde bereits vor mehr als 90 Jahren beim Bau des Empire State Buildings in New York erfolgreich umgesetzt.

Das markante Hochhaus war anschließend nicht nur viele Jahrzehnte das höchste Gebäude der Welt, sondern stand auch sinnbildlich für hohe Bau- und Raumqualität, die ihrer Zeit um Jahrzehnte voraus war. Immer wieder konnten die Räume nachgenutzt werden, und der Zahn der Zeit konnte dem Gebäude nur wenig anhaben. Das Empire State Building setzte auch in jüngerer Vergangenheit nochmals Maßstäbe. Nach seiner umfangreichen energetischen Sanierung erhielt das Wahrzeichen New Yorks 2011 ein LEED-Goldzertifikat und war damit eines der ersten Bestandsgebäude, das zum „Green Building“ aufgewertet wurde.

Die Antworten von damals sind die Antworten von heute

Das vielleicht Bemerkenswerteste daran: Der Baubeginn des Empire State Building war 1930, also mitten in der „Great Depression“ und demzufolge unter widrigsten wirtschaftlichen Bedingungen. Ein direkter Vergleich über die Dekaden hinweg ist zwar immer schwierig – aber dennoch war die Ausgangslage ungleich härter und ungewisser als aktuell in Zeiten moderat steigender Zinsen und milder Rezessionssymptome.

Erstaunlicherweise sind die Antworten, wie wir heutzutage den überfälligen Wandel im (Um-)Bau bei Wohn- und Gewerbeflächen einleiten könnten, dieselben wie vor 90 Jahren:

  1. Die Standardisierung und modulare Fertigung von Bauteilen, um an der Baustelle die Bauteile nur noch zeiteffizient zusammenzusetzen.
  2. Der Bezug von regional hergestellten Bauteilen und Materialien, um sich weniger abhängig von Drittländern und globalen Lieferketten zu machen.
  3. Neue, kollaborativ-iterative Prozesse, bei denen die einzelnen Gewerke miteinander und synchron arbeiten – nicht nacheinander oder schlimmstenfalls auch noch ohne ausreichende Absprachen und Informationsflüsse.

Es geht darum, die Ideen in der Breite umzusetzen

Einige fundamentale Unterschiede zwischen damals und heute bestehen dennoch: Das Empire State Building entstand in einer Zeit, in der in Manhattan ein heißer Wettbewerb um die höchsten Wolkenkratzer entbrannt war. Nur ein Jahr zuvor hatte das Chrysler Building als erstes Gebäude der Geschichte die 300-Meter-Marke durchstoßen und diese wollten die Bauherren des Empire State Buildings übertreffen – „the race for the sky“ war in vollem Gange.

Heutzutage liegt der Fokus allerdings nicht so sehr auf einzelnen Landmarks, sondern vielmehr auf der breiten Massen. Mit jedem Jahr, in dem die benötigten 400.000 Neubauwohnungen nicht errichtet werden, verschärft sich die Wohnungsnot weiter. Und wenn das Bauen nicht günstiger wird, werden Neubauten für einen breiten Teil der Gesellschaft immer weniger erschwinglich sein. Allerdings lassen sich dieselben Skaleneffekte durch Modularität und Standardisierung in Verbindung mit effizienten Prozessen auch für große Stückzahlen und damit für das flächendeckende Bauen nutzen. Dies wurde zwar bereits in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Form der Plattenbauweise umgesetzt – damals allerdings in vielen Fällen in mangelhafter Qualität und Kreativität.

Zwang und Not machen erfinderisch

Beim Bau des Empire State Buildings gab es aus Sicht der Bauherren jedoch noch einen weiteren „günstigen Umstand“. Angesichts der wirtschaftlichen Verwerfungen waren Arbeitskräfte zahlreich vorhanden und die Lohnniveaus niedrig. Die Arbeitsbedingungen auf der Baustelle waren bereits damals durchaus hinterfragbar, heutzutage wäre es nichts anderes als Ausbeutung.

Noch dazu zeichnet sich heute bei der „Manpower“ ein komplett gegenteiliges Bild: Die Arbeitslosenquote ist auf historisch niedrigem Niveau und der Anteil der Erwerbstätigen an der Gesamtbevölkerung wird rasant immer geringer. 2020 betrug der Anteil der sogenannten inaktiven Bevölkerung der OECD zufolge 47,4 Prozent. Im Jahr 2050, dem Gradmesser für die Pariser Klimaziele, sollen es 73,9 Prozent sein bei stagnierender Bevölkerungszahl. Schon allein deshalb muss die Effizienz pro Arbeitsstunde sehr stark steigen, ansonsten werden mittelfristig auch unabhängig von der Zinswende und Inflation nicht mehr ausreichend Immobilien realisiert oder energetisch saniert werden können. Die negativen Folgen wären sowohl auf ökologischer als auch auf sozialer Ebene eklatant.

Innovation braucht ihren Raum und Rechtsrahmen

Besteht bereits Grund zur Schwarzmalerei? Nicht unbedingt, denn herausfordernde Zeiten sind die beste Ausgangslage für innovative Konzepte, nachhaltige Veränderung und wirklichen Fortschritt. In Verbindung mit dem neuen Umwelt- und Sozialbewusstsein innerhalb von Gesellschaft, Politik und Immobilienwirtschaft bestehen also beste Chancen, dass sich bereits in den kommenden Monaten und Jahren vieles zum Positiven ändert. Allerdings müssen dann auch die entsprechenden rechtlichen Leitplanken geschaffen werden, damit es Innovation und Fortschritt auch tatsächlich auf die Baustellen schaffen – oder mit anderen Worten: Das Festhalten an einem idealisierten (Bau-)Individualismus, un-synchronisierten Abläufen und juristischen Uneinheitlichkeit manifestiert in föderalistische Strukturen würde der Innovation im Weg stehen, haben wir doch heutzutage viel ausgereiftere Technologien und Möglichkeiten zur Hand als noch 1930!

Über Dr. Susanne Hügel

Dr. Susanne Hügel ist seit 2018 für CBRE tätig und leitet dort den Bereich Digital & Technology for Continental Europe. In ihrer Rolle treibt sie die digitale Transformation von CBRE Länder- und Business Line-übergreifend voran und koordiniert die europäischen Digitalisierungs- und Innovationsprojekte. Darüber hinaus ist sie Mitglied im ZIA Innovation Think Thank, Beiratsvorsitzende des Master-Studiengangs „Sustainability and Smart Building Technologies“ an der bbw Hochschule und gefragte Digital- und Innovations-Expertin für Vorträge und Moderationen. Bereits im Rahmen ihrer Doktorarbeit beschäftigte sie sich empirisch mit dem Thema „Innovation in der Immobilienwirtschaft“. Zuvor sammelte Dr. Susanne Hügel umfängliche praktische Erfahrung beim Aufbau eines Proptech Startups der ersten Stunde und absolvierte ihren Diplom-Ingenieur im Bereich Architektur.

Über CBRE

CBRE Group, Inc. (NYSE:CBRE), ein Fortune-500- und S&P-500-Unternehmen mit Hauptsitz in Dallas, ist das weltweit größte Immobiliendienstleistungs- und Investment-Unternehmen – in Bezug auf den Umsatz im Geschäftsjahr 2021. Mit mehr als 105.000 Mitarbeitern (exkl. Turner-&-Townsend-Mitarbeiter) in über 100 Ländern bietet das Unternehmen seinen vielfältigen Kunden integrierte Dienstleistungen über den gesamten Immobilien-Lebenszyklus: von der strategischen und technisch-wirtschaftlichen Beratung, wie u. a. beim An- und Verkauf oder der An- und Vermietung, über die Entwicklung, Verwaltung und Bewertung von Immobilien bis hin zum Transaktions-, Projekt-, Facility- sowie Investment-Management.
Seit 1973 ist CBRE Deutschland mit seiner Zentrale in Frankfurt am Main vertreten, weitere Niederlassungen befinden sich in Berlin, Düsseldorf, Essen, Hamburg, Köln, München und Stuttgart. www.cbre.de

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Sarah Schlesinger
Sarah Maria Schlesinger
Managing Director
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