Digitalisierung: Immobilienwirtschaft auf dem Beschleunigungsstreifen

Geschrieben von
Dr. Alexander
Hellmuth
Veröffentlicht am
Nov 1, 2022

Es geht doch – das ist eine Erkenntnis der vergangenen beiden Jahre: Immobilienwirtschaft und Digitalisierung passen zusammen. Gleichzeitig treten mit voranschreitender digitaler Transformation Defizite offen zutage, denen sich die Branche dringend widmen muss.

Digitalisierung ist an vielen Stellen des immobilienwirtschaftlichen Alltags greifbar geworden – im virtuellen Meeting, im Planungsprozess (Stichwort BIM) oder in der Gebäude- und Prozessautomation. Wie tief sie inzwischen in der Immobilienwirtschaft verankert ist, zeigt die Digitalisierungsstudie, die der ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss und EY Real Estate 2022 bereits zum siebten Mal durchgeführt haben und für die über 250 Immobilienexperten befragt wurden. War Digitalisierung in der ersten Auflage im Jahr 2016 nicht mehr als ein zartes Pflänzchen – gepflegt von vergleichsweise wenigen Unternehmen in der Branche, hat sich das heute, sechs Jahre später, grundlegend geändert. Die Mehrheit der Verantwortlichen hat endgültig die Handbremse gelöst, auch wenn immer noch ein unterschiedliches Tempo angeschlagen wird.

Digitalisierung nimmt wieder an Fahrt auf

Auf Jahressicht hat die digitale Transformation der Immobilienwirtschaft insgesamt an Dynamik gewonnen. 35 Prozent der Immobilienunternehmen investieren inzwischen mehr als fünf Prozent ihres Jahresumsatzes in entsprechende Maßnahmen. 2021 traf dies erst auf 18 Prozent der Unternehmen zu. Die Anzahl der Unternehmen, die über 20 Prozent ihres Umsatzes investieren, hat sich seit dem Vorjahr sogar verdreifacht (zehn Prozent 2022 vs. drei Prozent 2021). Bei größeren Unternehmen können die absoluten Investitionssummen damit achtstellige Beträge erreichen. Dahingegen sank die Anzahl der Unternehmen, die zwischen einem und fünf Prozent des Umsatzes investieren, stark von 60 Prozent 2021 auf aktuell 45 Prozent.

Acht Prozent der Unternehmen haben nach eigener Einschätzung bereits die Phase der digitalen Exzellenz erreicht. Im vergangenen Jahr verorteten sich lediglich drei Prozent der befragten Unternehmen in diesem Reifegrad. In der Etablierungsphase sehen sich 47 Prozent – ein Anstieg um sechs Prozentpunkte gegenüber 2021. In der Orientierungs- und Entwicklungsphase befinden sich sechs Prozent (2021: acht Prozent) bzw. 39 Prozent (2021: 48 Prozent) – also jeweils teils deutlich weniger als vor einem Jahr. Insgesamt zeigt sich: Während im Vorjahr viele der Befragten realisiert haben, dass sie doch noch nicht so weit sind, wie sie zunächst vermutet hatten, so scheint es, dass der Digitalisierungsprozess in der Wahrnehmung der Unternehmen dieses Jahr tatsächlich fortgeschritten ist.

Abbildung: Die Branche kehrt nach Krisenknick auf den Wachstumspfad zurück

Quelle: ZIA/EY Digitalisierungsstudie 2022

Branche nimmt Datentransparenz und Datensicherheit in den Blick

Datenintransparenz und mangelnde Datenqualität bleiben zwischenzeitlich die größten Hemmnisse bei der Digitalisierung. Dem stimmen 67 Prozent der Befragten zu (2021: 65 Prozent). Auch veraltete Software gehört unvermindert zu den größten Herausforderungen, ebenfalls mit steigender Tendenz (2022: 58 Prozent vs. 2021: 44 Prozent). 94 Prozent der Befragten geben zudem an, dass die Immobilienwirtschaft unter einer hohen Anzahl an Datensilos leidet.

Abbildung: Bekannte Probleme kehren nach einer Zeit der pragmatischen Lösungen zurück

Quelle: ZIA/EY Digitalisierungsstudie 2022

Das Teilen von Daten gewinnt vor diesem Hintergrund an Bedeutung. Vor allem mit Kunden (Zustimmung 82 Prozent), Versorgern (80 Prozent), Technologieanbietern (79 Prozent) und der öffentlichen Hand (75 Prozent) sind die Befragten bereit, Daten zu teilen. Bei Wettbewerbern wird dies häufiger gemieden, wie 64 Prozent der Befragten angaben.

Nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden internen wie externen Datentransfers erfährt das Themenfeld der Cyber-Security mehr Aufmerksamkeit. 57 Prozent der Befragten nehmen die steigende Gefahr war. 93 Prozent der Befragten betrachten Cyber-Security folgerichtig als wesentlichen Bestandteil ihrer Digitalisierungsstrategie. 82 Prozent sehen sich auf einen möglichen Cyber-Angriff gut vorbereitet.

Vor allem automatisierte Gebäude bieten ohne entsprechende Vorkehrungen eine erhebliche Angriffsfläche. Seine Zuspitzung erfährt dieser Aspekt im digitalen Quartier, das von der Vernetzung und vom Datenaustausch lebt.

Wachsender Zuspruch für das digitale Quartier

Dem „digitalen Quartier“ widmet sich auch der Fokus der diesjährigen Digitalisierungsstudie. Zu dessen Kernaspekten gehören laut 97 Prozent der Studienteilnehmer Smart Metering, E-Mobilität und das digitale Mieterportal. Während die Befragten einerseits die Vorteile sehen, beobachten sie andererseits eine mangelnde Investitionsbereitschaft (80 Prozent) und lückenhafte IT-Infrastruktur (79 Prozent). Auch die zu gering ausgeprägte Kooperationsbereitschaft zwischen den verschiedenen Anbietern im digitalen Quartier (73 Prozent) wird als Herausforderung ausgemacht.

Blickt man auf die wichtigen Themen unserer Zeit, etwa den Klimaschutz und damit einhergehend die Mobilitätswende, wird schnell klar, dass digitale Quartiere einen entscheidenden Beitrag für lebenswerte Städte leisten können. Doch während die Zustimmungswerte zum digitalen Quartier sehr hoch sind, insbesondere zu einzelnen Funktionalitäten, hapert es auch hier noch an der Bereitschaft, Daten zu teilen.

Vom Dauerlauf zum Staffellauf

Bereits in früheren Digitalisierungsstudien kristallisierte sich heraus, dass Digitalisierung kein Sprint, sondern ein Dauerlauf ist. Inzwischen zeichnet sich ab, dass der Dauerlauf auch ein Staffellauf ist. Besonders eindrücklich zeigt sich das beim Thema „digitale Quartiere“. Denn während es in der Vergangenheit gereicht hat, seine eigenen Hausaufgaben im Unternehmen und der Immobilie zu erledigen, müssen wir heute stärker zusammenarbeiten. Das intelligente Gebäude liefert uns viele wichtige Daten, um es in der Bewirtschaftung und im Investmentbereich zu optimieren. Doch wertvoll werden die Daten erst, wenn wir sie auf Quartiersebene betrachten. Dafür müssen wir uns mit unserer Umgebung vernetzen, also smarte Quartiere schaffen. Der Aufwand lohnt sich, davon zeigt sich die Immobilienwirtschaft in der Digitalisierungsstudie 2022 überzeugt.

Über
Dr. Alexander
Hellmuth

Dr. Alexander Hellmuth ist Partner bei EY Real Estate in Berlin. Sein Schwerpunkt liegt auf der Auswahl, Konzeption und Implementierung innovativer Technologien im Real Estate Management.

Über
Ernst & Young

EY ist eine der großen deutschen Prüfungs- und Beratungsorganisationen. In der Steuerberatung ist EY deutscher Marktführer. EY beschäftigt 11.500 Mitarbeitende an 20 Standorten und erzielte im Geschäftsjahr 2020/2021 einen Gesamtumsatz von 2,12 Milliarden Euro.

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