Digestif REAL PropTech 2021 | Sarah Schlesinger & Dr. Hans Volkert Volckens

Geschrieben von
Veröffentlicht am
Sep 3, 2022

Der „Thought Leader“ der REAL PropTech 2021 ist Dr. Hans Volkert Volckens. Das sagen die Klickzahlen auf der digitalen Eventplattform 4 Wochen nach der Zukunftskonferenz. Warum? Weil es wirklich relevant und wirklich digital zuging? Oder weil es um weit mehr als eine Herzensangelegenheit ging? Es ging um die neue Relevanz einer digitalen Ethik.

Gemeinsam mit unserer Sarah Schlesinger, Managing Partner bei blackprint und Dr. Hans Volkert Volckens blicken wir zurück auf den beliebtesten und relevantesten Beitrag der REAL PropTech 2021:

Und weil alle Zusammenfassungen die starken Aussagen verfälschen, hier der Auszug aus dem Experten-Impuls von Dr. Hans Volkert Volckens auf der REAL PropTech 2021:

"Was ich damit meine? Lassen Sie mich es erklären. Wir leben in einem Zeitalter der Möglichkeiten. Unser Leben hat sich über die vergangenen Jahrzehnte in beispielloser Weise technologisiert. Prozessoren, Speicher und Sensoren finden sich nicht mehr nur, wie noch in den 80er und 90er Jahren, im stationären Personal Computer. Smartphones, Smartwatches, Haushaltsgeräte, unser PKW oder Sportgeräte... Alles verfügt heute über moderne Technologie zur Generierung und Speicherung von Daten sowie deren Auswertung. Wir leben im Zeitalter des Internet of Things und der Full Connectivity. Auch die Immobilienwirtschaft ist mit den Jahren digital intelligenter geworden, zweifelsohne langsamer als manch andere Industrie, aber dennoch mit zunehmender Beschleunigung. Dabei wurden nicht nur Bestandshalter, Fondsmanager oder Projektentwickler digitaler. Seit einigen Jahren erleben wir, dass auch die Gebäude selbst, durch entsprechende Ausstattung, immer mehr Daten sammeln, speichern und für multidimensionale Auswertungen zur Verfügung stellen können. Die Möglichkeiten sind faktisch unbegrenzt und erlauben Steuerungsmöglichkeiten, die noch vor wenigen Jahren undenkbar waren. Beispielhaft seien das Aufzeichnen von Bewegungsabläufen. Die IT unterstützte Identifikation von Wartungserfordernissen, also hier das Schlagwort "Predictive Maintenance" oder die wetterbedingte Selbststeuerung der Gebäude zu nennen. Sensoren sammeln Daten und das Handy wird zum Tracking Device. Wahrlich, wir leben in einem Zeitalter der Möglichkeiten!

Wir leben aber auch in einem Zeitalter der Herausforderungen. Gesundheit und Umwelt haben in den vergangenen Jahren und teilweise sogar nur Monaten eine zentrale Wichtigkeit in beruflichem und privaten Alltag erlangt, die wir uns vor beispielsweise zehn Jahren kaum vorstellen konnten. Und die Wichtigkeit entwickelt sich dynamisch. Man mag sagen exponentiell und stellt uns in der Immobilienbranche vor ganz neue Bedingungen. Diese Bedingungen definieren eine neue Realität, in der sich Chancen und Risiken des immobilienwirtschaftlichen Handelns neu kalibrieren. Es liegt auf der Hand, moderne technologische Errungenschaften zu nutzen, um diesen Herausforderungen zu begegnen, Antworten zu finden und wichtigste Güter wie Gesundheit und Umwelt zu schützen. Digitalisierung - also modernste Informationstechnologie - muss ein zentraler Baustein des Lösungsangebotes sein. Aus meiner Sicht unverzichtbar. Aber gilt dies unkonditioniert ohne Schranken? Die Antwort lautet "Nein". Gesundheit und Umwelt sind entscheidende Güter, die es in der Tat zu schützen gilt. Sowohl die vielen juristischen Aussagen zu den Möglichkeiten und Grenzen der Pandemiebekämpfung oder auch das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Klimaschutzgesetz bestätigen dies. Aber ein technologischer Freifahrtschein in Bezug auf potenzielle Anwendungen wird auf dieser Grundlage dennoch nicht ausgestellt. Denn Digitalisierung schafft eine Transparenz der Persönlichkeit, des persönlichen Handelns und Seins, die den Kern der informationellen Selbstbestimmung berühren kann. Folgende drei Beispiele mögen dies verdeutlichen. Erstens: Ein mit dem Corona-Virus Infizierter könnte mit seiner Corona-App andere Personen konkret über eine von ihm ausgehende biologische Gefahrenlage informieren. Zweitens: Ein Arbeitgeber könnte das tägliche Bewegungsprofil seiner Angestellten erstellen lassen und Performance-Analysen darauf abstellen. Oder drittens: Die individuelle Lebensführung könnte im Hinblick auf die CO2-Schädlichkeit getrackt und für eine öffentliche Benchmark-Analyse sichtbar gemacht werden. Also im Sinne eines "Blaming und Shaming". Alle diese Anwendungen sind technisch möglich, kommen aber aus gutem Grunde nicht zur Anwendung. Denn unmittelbare Persönlichkeitsrechte wären durch diese Form der Datengewinnung und Auswertung massiv getroffen. Anders ausgedrückt: Das Ziel und ist es noch so hoch, heiligt in einem Rechtsstaat eben nicht alle Mittel. Hinzu kommt eine Ebene, die weniger juristisch, sondern vielmehr ethisch ist. Denn nicht alles, was erlaubt ist, sollte auch eins zu eins umgesetzt werden. Da auch insofern fraglich ist, ob trotz grundsätzlicher Rechtmäßigkeit die sozialethischen Folgen gegebenenfalls unerwünscht sein könnten. Beispielhaft mag hier die Möglichkeit benannt werden, ungeimpfte Personen bei Zutritt des Gebäudes zu identifizieren. Diese Beispiele zeigen, dass wir auch in der Immobilienwirtschaft in ein Zeitalter kommen, in der aufgrund der voranschreitenden Technologisierung von Gebäuden und Unternehmen konfliktsensible Fragen von technologischem Purpose und digitaler Ethik beantwortet werden müssen. Gerade die innovativsten Teile unserer Industrie, Sie, die PropTechs, sollten diese ethischen Grundsatzfragen frühzeitig stellen und diskutieren. Denn wir sind über die Zeit des Gadgets deutlich hinaus. Sichert die Digitalisierung doch selbst zentrale Werte und kollidiert mit ebensolchen. Wir werden deshalb die technische Machbarkeit nicht mehr eindimensional an zu schützenden Persönlichkeitsrechten orientieren. Eine derart einseitige Würdigung gehört der Vergangenheit an. Vielmehr werden die durch die Digitalisierung zu schützenden Werte ihrerseits ins Verhältnis zu potenziell durch die Digitalisierung berührten Persönlichkeitsrechten gesetzt und sind entsprechend multidimensional abzuwägen. Anders gesagt E, S & G werden in ihrer Eigendynamik zu potenziell legitimierenden Zielsetzungen und verschieben tradierte Beurteilungsspielräume. Persönlichkeitsrechte mögen im Einzelfall zu den Zielsetzungen der ökologischen Sicherung unserer Lebensgrundlagen und dem Gesundheitsschutz von uns allen nachrangiger sein. Digitalisierung gewinnt damit eine neue, legitimierende Perspektive und handelnden Personen wird eine neue Verantwortung oktroyiert.

Wir stehen in der Immobilienwirtschaft damit in zentraler Verantwortung. Was muss die Branche also tun? Wir müssen uns in der rasant technologischen Entwicklung erstens, mit dem Purpose der Digitalisierung auseinandersetzen. Zweitens, die Effektivität der digitalen Maßnahmen bestimmen und drittens, beurteilen, ob Persönlichkeitsrechte potenziell betroffen sein könnten und viertens, vorsorglich ethisch und rechtlich würdigen. Dieses Bestimmungsviereck der ethischen Kompatibilität einer Digitalisierungsmöglichkeit sollte frühzeitig angesetzt und eingesetzt werden. Um allzu heterogene Ergebnisse aufgrund zu erwartender, deutlich individueller Beurteilungen zu vermeiden, sollte übergreifend diskutiert und gewürdigt werden. Münden kann dies am Ende in einem Standard einer Immobilienwirtschaft determinierten Charta der digitalen Ethik. Eventuell ist hier, neben anderen, das Institut für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft gefordert. Zugegeben ein hohes, aber im Bewusstsein der zunehmenden Dringlichkeit notwendiges Ziel. Aber eines, das seinerseits wiederum auf das "S" und das "G" einzahlt, nämlich die Akzeptanz von Eigentümer und Nutzer sowie die rechtliche Kompatibilität digitaler Anwendung. Was, meine Damen und Herren, für eine spannende neue Aufgabe für unsere Industrie. Wahrlich! Wir leben in einem fantastischen Zeitalter der Möglichkeiten, der Herausforderungen und der neuen Verantwortung."

 

Über den Autor


Dr. Hans Volkert Volckens
EMEA Head of Real Estate Advisory - KPMG Deutschland
Impulsgeber der Zukunft

Dr. Hans Volkert Volckens steht für Substantial Real Estate Management. Als KPMG Partner und erfahrener Immobilienmanager wird er von Mandanten in der Regel dann gerufen, wenn man einen Partner benötigt, der in besonders komplexen oder herausfordernden Situationen Orientierung und Unterstützung bietet. Dabei bringt er seine vielseitige Erfahrung, eine klare Meinung und Haltung zu den Themen sowie eine pragmatische Vorgehensweise in die Zusammenarbeit ein. Außerdem ist er im Vorstand des Institut für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft.

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