Auf dem Holzweg? Wie nachhaltige Baustoffe die Branche verändern
Um die Klimaziele zu erreichen, müssen wir nicht nur verändern, wie wir bauen, sondern auch womit wir bauen. Nur so können wir den Ressourcenverbrauch eindämmen. Das ist dringend nötig, denn schon heute verbrauchen wir 1,75 Mal mehr Rohstoffe, als uns die Erde langfristig zur Verfügung stellen kann.
Die Baubranche belastet die Umwelt besonders: Rund 40 %des weltweiten Ressourcenverbrauchs fallen laut der Deutschen Bundesstiftung Umwelt am Bau an. Der erfolgreiche Ingenieur und Tragwerksplaner Werner Sobek spricht in seinem Buch „non nobis – über das Bauen in der Zukunft“ sogar von 55 %, denn er rechnet die Herstellung der Baumaterialien, Transport, Bau, Abriss und Recycling sowie Tief- und Verkehrsbau hinzu.
Um den Verbrauch von nicht nachwachsenden Ressourcen zu reduzieren, könnte das Bauen mit Holz eine sinnvolle Strategiedarstellen, da Holz ein nachwachsender Rohstoff ist.
Der industrielle Bau mit Holz nimmt seit einigen Jahren an Fahrt auf. Die Akzeptanz der Holzbauweise steigt, der Diskurs rund um Klimaschutz und Schonung von Ressourcen gibt ihr Rückenwind in Politik, Gesellschaft und Medien. Holz ist nicht nur ein nachwachsender Rohstoff, sondern gilt auch als klimaneutral. Schon heute entfallen auf Holz fast 23 % des Umsatzes mit Baustoffen, also 6,5Mrd. Euro pro Jahr.
Holzbauweise im Trend
Holz spielt im Neubau in den letzten Jahren eine immer größere Rolle. Bei Einfamilienhäusern liegt der Anteil an allen Neubauprojekten bundesweit bereits bei 24 %. Bei Mehrfamilienhäusern werden aktuell nur 4 % aus Holz gebaut. Dieser Anteil wird in den kommenden Jahren voraussichtlich deutlich steigen. Mit der Verbreitung der industriellen Vorfertigung wird die Verwendung von Holz beim Bau von Mehrfamilienhäusern in Deutschland immer attraktiver und kostengünstiger.
Viele weitere Erkenntnisse lassen sich übrigens in unserem Handout „Holz als Baustoff“ nachlesen, das über die Seite realpace.de/handout-holz-als-baustoff/ erhältlich ist.
Bausektor vor großen Herausforderungen
Nun sorgen allerdings infolge der Pandemie starkgestiegene Preise und Lieferengpässe für Probleme, was auch andere Baustoffe betrifft. Bauen ist allgemein teurer geworden. Der Bausektor steht vor tiefgreifenden Veränderungen. Zukunftsfähige Gebäude müssen hohen Anforderungen gerecht werden, die sich aus den großen Treibern unserer Zeit ergeben: EU-Taxonomie und ESG-Anforderungen spielen eine immer größere Rolle bei der Bewertung von Gebäuden, demografischer und struktureller Wandel führen zu neuen Nutzungsbedarfen und der Fachkräftemangel im Handwerkverschärft sich.
Hierdurch ändern sich auch die Anforderungen an die verwendeten Baustoffe. Diese Anforderungen lassen sich grob in drei Kategorien unterteilen: Nachhaltigkeit, neue Nutzungsbedarfe und Fachkräftemangel.
Holz punktet auf allen drei Ebenen
Holz speichert CO2 und trägt damit zur Dekarbonisierung bei. Da Holz ein nachwachsender Rohstoff ist, beinhalten Holzprodukte im Vergleich zu anderen Baustoffen besonders wenig graue Energie. Der Energieaufwand für die Gewinnung und den Transport ist geringer als bei anderen Baustoffen. Außerdem sind die Materialabfälle in der Bauphase geringer als bei anderen Materialien. Dazu kommen eine hohe Energieeffizienz von Holzkonstruktionen und erweiterte
Recycling-Möglichkeiten durch Kaskadennutzung, also die aufeinander folgende, mehrmalige Nutzung des Rohstoffs Holz zur Herstellung von Produkten gefolgt von einer abschließenden thermischen Verwertung.
Holz steigert zudem den Wohnkomfort und ist flexibel einsetzbar. So ist es vielseitig verwendbar bei Tragwerk, Dach, Fassade, Fenster, Türen, Fußboden oder als Dämmstoff. Obendrein bietet Holz aufgrund des niedrigen Gewichts besser als andere Baustoffe die Möglichkeit zur Nachverdichtung des Bestands durch Aufstockung von Gebäuden.
Da Holz für Vorfertigung und modulare Bauweise sehr gutgeeignet ist, wird das Problem des Fachkräftemangels bei Holzbauten starkreduziert. 88 % aller vorgefertigten Wohngebäude werden daher schon jetzt aus Holz konstruiert. Zeitlich von Vorteil sind die fehlenden Trocknungszeiten beimRohbau. Allerdings ist das Gewerk der Holzbauerstark fragmentiert und es gibt zu wenige große Unternehmen, die größere Holzhausprojekteumsetzen können.
Holz als Dämmstoff
Auch als Dämmstoff ist Holz aufgrund seiner niedrigen Wärmeleitfähigkeit gut geeignet. Allgemein nehmen nachhaltige Dämmstoffe am Markt immer mehr zu. Wir haben dieses Segment vor kurzem von einem Team aus vier Studierenden validieren lassen und anschließend daraus ein neues Geschäftsmodell entwickeln lassen. Das Studententeam hat vorgeschlagen, eine B2B-Plattform für den Verkauf nachhaltiger Alternativen zu traditionellen Dämmstoffen für Wohngebäude auf Basis eines definierten Nachhaltigkeitsindex zu entwickeln, um Handwerkern, Baufirmen und Generalunternehmern zu helfen, eine bessere Kaufentscheidung zu treffen. Bei einem solchen Index wäre Holznatürlich sehr weit vorne. (Weitere Informationen in diesem Experten-Beitrag).
Schmerzpunkte im Holzbau
· Keine bundesweit einheitlichen Bauvorschriften
· Hohe Auflagen benachteiligen den Holzbau im Vergleich zur klassischen Massivbauweise
· Volatile Preise erschweren eine verlässliche Projektkalkulation
· Mangelnde Verfügbarkeit sorgen für Bauverzögerungen
· Mangelnde Erfahrungen und Kenntnisse bei Architekten sorgen für einen hohen Planungsaufwand
· Trotz eines hohen Vorfertigungsgrads werden die Vorteile von BIM und modularer Bauweise noch kaum genutzt
· Zunehmender Mangel an Zimmerern und Bautischlern und die fragmentierte Unternehmenslandschaft
Holz auch im Bestand
Nicht nur im Neubau, sondern auch bei der Sanierung und Nachverdichtung im Gebäudebestand sind die Vorteile offensichtlich, die Holz als Baustoff bietet. Durch sein geringes Gewicht ist Holz eine geringere Belastung für altes Mauerwerk und bietet neue Möglichkeiten bei der ein- bis zweigeschossigen Aufstockung. Laut dem
Deutschen Holzfertigbau-Verband (DHV) ließen sich so pro Jahr 25.000 m² an zusätzlichem Wohnraum gewinnen. Störungen der Nutzer durch Dreck, Lärm und Platzmangel sind bei Sanierungsprojekten mit vorgefertigten Holzelementen zudem deutlich geringer.
Einfachere Bauordnungen im Holzbau nötig
Jedes Bundesland hat eine eigene Bauordnung, was generell ein Problem für die überregionale Standardisierung von Bauprozessen darstellt. Für den Bau mit Holz gilt dies in besonderer Weise, da es in einigen Bundesländern Hindernisse und Benachteiligungen gegenüber dem konventionellen Bau gibt. Die Anforderungen, die Holz zum Beispiel in Bezug auf Brandschutz erfüllen muss, sind bei modernen Holzbauweisen zum Teil zu hochangesetzt. Dies muss und wird sich ändern, da die Förderung der Holzbauweise im Interesse der Politik und ihrer Klimaziele ist.
Insbesondere im Norden und Westen Deutschlands lässt sich so der Holzbauanteil steigern.
Fazit: Gedrosselte Euphorie
Generell können aus der Kombination nachhaltiger Materialien und modernen Verfahren neue Geschäftsmodelle entstehen. Ein Beispiel bei den Materialien könnten neue, umweltfreundlichere Betonarten sein. Auf der Verfahrensseite bieten 3D-Druck und modulare Bauweise weitere Potenziale.
Allein auf Holz zu setzen, ist nicht die Lösung. Bei allen guten Gründen, die dafür sprechen, dass Holz einen immer größeren Anteil am Bauvolumen ausmachen wird, gibt es doch auch Grenzen für seine Ausbreitung. Zum einen müssen die Wälder in den Erzeugerländern weiterhin nachhaltig bewirtschaftet werden, sodass nicht die gesamten 43 Mio. Kubikmeter Beton, die jährlich in Deutschland verbaut werden, durch Holz ersetzt werden können.
Zum anderen wird es auch weiterhin Gebäude geben, bei denen der Einsatz von Holz unwirtschaftlich ist. Das Tempo, mit dem sich der Holzbau in Deutschland weiter ausbreitet, hängt wiederum auch davon ab, wie schnell die Kompetenz für Holzfertigbau in Planung und Konstruktion aufgebaut wird. Hier an mangelt es noch bei vielen Planern und Projektentwicklern und auch Holzbauern. Holz wird Beton und Stahl somit nicht von ihren Spitzenpositionen verdrängen, sondern nur einer der Baustoffe der Zukunft sein. Somit sind wir mit dem Holzbau nicht auf dem Holzweg, allerdings ist es nicht die alleinige Lösung. Es müssen und werden in Zukunft weitere nachhaltigere Baustoffe entstehen, um den Ressourcenverbrauch in der Baubranche weiter zu senken.
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